Wenn einer eine Reise plant. Zwischen Panik und Vorfreude. Zwischen Glücksgefühl und Horrorvorstellung. Und dann?

Dann ist man plötzlich da. 12 Stunden Zeitunterschied. Tag und Nacht sind durcheinandergewirbelt. Und mit ihnen das eigene Leben. Doch es bleibt kaum Zeit, nachzudenken. Da sind die vielen Eindrücke, die das Hirn beschäftigen. Da sind hunderte winzige und weniger winzige Dinge, die man planen muss, auch wenn man eigentlich keinen Plan hat.

Ein Hund namens Sicherheitsdenken

Zwischendurch immer wieder Momente, in denen man sich fragt, ob man richtig entschieden hat. Dieses Sicherheitsdenken ist ein Hund. Da glaube ich, ich hätte es erfolgreich ausgetrickst. Und dann schleicht es sich – was weiß ich wie viele Tausend Kilometer fern der Heimat – doch ein. Zum ersten Mal schon im Flieger. Da bin ich so überwältigt, dass mir die Tränen leise über die Wangen kullern. Aber nicht lange. Dann schaue ich aus dem Fenster, sehe hoch über den Wolken einen Sonnenaufgang, ein paar Stunden später einen Sonnenuntergang und weiß: Es ist alles gut, so wie es ist.

Mir ist bewusst, dass es ein Privileg ist, zu reisen. Diese Chance wahrzunehmen, die ich gerade mein Leben nennen darf. Aber manchmal interessieren sich die eigenen Gefühle nicht für das Wunder dieser Möglichkeit. Dann gewinnt Vogel Strauß kurz die Oberhand und steckt seinen Kopf in den Sand. Doch je mehr Tage ich unterwegs bin, desto mehr verstehe ich, worum es eigentlich geht und desto weniger oft, habe ich das Gefühl, mir die Decke über den Kopf ziehen zu wollen. Im Vorfeld ist alles riesig, beinahe unüberschaubar, eine diffuse Wolke. Der große Trip wird übergroß. Doch seit ich wirklich dabei bin zu reisen, hat sich alles relativiert. Die Wolke hat Gestalt angenommen. Beängstigende Gedanken sind zwar da, aber sie verlieren meist, weil gerade viel zu viel einfach wunderschön ist.

Wie lässt man sich fallen?

Und ich habe eine erste Idee davon bekommen, was es bedeuten kann, sich fallen zu lassen. Dieses ominöse Ding namens Sichfallenlassen. Ich wusste nie so genau, was das sein soll und wie das genau funktioniert. Jetzt ahne ich, dass es einfach darum geht, Dinge geschehen zu lassen. Ja, ich plane, aber nicht zu lange im Voraus. Genuss lässt sich nicht konservieren. Diese Tatsache hat mich oft zur Verzweiflung gebracht. Wenn man so sehr bemüht ist, einen schönen Moment für immer festzuhalten. Es klappt einfach nicht. Und auch das lehren mich die Tage hier: Bemerkenswerte Momente reihen sich aneinander wie Glieder in einer Kette. Sie kommen und gehen. Man muss den einen Augenblick gar nicht umklammern, denn das nächste schöne Erlebnis, der nächste beeindruckende Ausblick und das nächste liebe Wort kommen bestimmt. Natürlich erlebe ich diese Momente hier in einer Dichte, in der sie im Alltag nicht auftreten. Zumindest nicht mit dieser Wucht. Doch die Gewissheit bleibt, dass nicht die Trauer über das Vergangene ausschlaggebend ist, sondern die Vorfreude auf kommende schöne Erfahrungen.

Titelfoto: Devonport, Auckland